Was hat Mut mit Flexibilität zu tun?

 

"Das Geheimnis des Glücks

ist die Freiheit,

und das Geheimnis der Freiheit

ist der Mut."

Thukydides,

Peloponnesischer Krieg

 

 

 

 

Was immer auch Ihre Ziele für Ihre Karriere oder Ihr Leben sein mögen, Sie könnten sie erreichen. Hierfür ist es jedoch erforderlich, dass Sie endlich Ihre Ausreden, die Sie sich immer wieder selbst vorsagen, erkennen und in eine Erlaubnis umwandeln:

 

Petra steckte fest. Jedes Mal, wenn sie in eine Sitzung kam, schien sie sich mehr in ein Leben verstrickt zu haben, dass sie eigentlich hasste.

Dabei fehlte es ihr nicht an Privilegien, Schönheit und Bildung. Sie schien alles zu haben, wonach man sich sehnen konnte. Sie und ihr Mann hatten ein Reihenhaus, ein Kind, das schon fast erwachsen war und sie waren in der Nachbarschaft angesehen. Sie hatte es sich mit ein paar Hobbies wie z.B. Malen und Töpfern gut eingerichtet. Aber dennoch war Petra unzufrieden mit ihrem Leben...

Eigentlich hatte sie immer Sängerin werden wollen. Aber diesen Traum hatte sie dann zugunsten einer gesicherten Existenz und einer Familie aufgegeben. Das war anfangs auch genau das gewesen, wonach sie sich sehnte. Nun aber meldete sich dieser alte Traum zurück und im Laufe der Jahre versuchte sie immer wieder kleinere Schritte in diese Richtung zu gehen.

Aber leider entwickelte sich nie etwas aus den Auftritten oder den Anfragen, die sie bekam. Resigniert gab sie auf. „Es ist einfach zu schwer“, seufzte sie während einer Sitzung. „Außerdem habe ich meine Verpflichtungen und kann ja auch gar nicht so, wie ich eigentlich will.“ „Ich bin gefangen. Völlig gefangen.“

 

Von außen betrachtet klingt das jetzt vielleicht gar nicht so schlimm. Aber genau solche Situationen sind es, die zu Depressionen führen können, weil wir auf unseren Verstand hören, anstatt auf unser Herz.

 

Wenn Sie also denken „Ich kann das nicht, es ist einfach zu schwer“, bedeutet das nicht, dass Sie nicht die Möglichkeit dazu hätten, ein aufregendes und sinnvolles Leben zu leben. Glauben Sie mir, diese Möglichkeit besteht immer.

Sie befinden sich in einer Sackgasse, weil Sie gelernt haben, „vernünftig“ zu sein und die Möglichkeiten, die zur Erfüllung Ihrer Träume führen würden, besser nicht zu erkennen, geschweige denn, sie zu ergreifen. Ihr Körper ist zwar frei, aber Ihr Herz ist gefangen. Oder eigentlich müsste ich sagen, Ihr Verstand ist gefangen!

 

Denn manchmal schieben wir unsere Vernunft nur vor, um unsere Feigheit zu kaschieren.

Es braucht Mut, um aus einem komfortablen Leben auszubrechen und ein neues, erfüllteres Leben zu wagen, von dem wir nicht wissen können, ob es funktionieren wird.

 

So ähnlich lagen die Dinge auch bei Petra. Wobei sie noch nicht einmal ihr bisheriges Leben wirklich hätte aufgeben müssen, sprich Mann und Kind verlassen. Sie hätte lediglich etwas mehr Freiraum für sich in Anspruch nehmen müssen, um mutiger und beharrlicher an der Verwirklichung ihrer Wünsche und Ziele arbeiten zu können.

 

Aber dazu musste sie zunächst ihr Denken von einigen Annahmen und Ängsten befreien, um die innere Freiheit zu gewinnen. Dann würde sie auch genügend Mut entwickeln, um eine größere, äußere Freiheit zu erlangen.

 

„Freiheit ist etwas, das einem nicht geschenkt wird.

Man muss sie sich nehmen.“

Kevin Spacey, Schauspieler

 

In Ihrer Vorstellung war sie nämlich anderen Menschen und deren Erwartungen an sie zutiefst verpflichtet. Das war schließlich der Preis, den sie zu zahlen hatte, um gemocht zu werden. Und sie hatte Angst vor etwaigen Auseinandersetzungen, wenn sie diesen Erwartungen nicht mehr entsprechen würde. Deshalb konnte sie abends auch nur selten Veranstaltungen besuchen, weil sie ja abends das Essen pünktlich auf dem Tisch stehen haben wollte.

Schließlich war ihr Mann das so gewohnt und sie wollte deswegen keine Diskussionen riskieren. Sie konnte am Wochenende nicht mit einer Freundin verreisen, weil dann die Familie sauer gewesen wäre. Sie konnte nicht Gesangsstunden nehmen, weil sie dann ihren Teenager nicht zum Fußball und anderen Aktivitäten hätte fahren können, usw.

 

Kein Wunder also, dass sie sich gefangen fühlte.

Dass sie in all den Jahren ihrem Traum keinen Schritt näher gekommen war, lag nicht daran, dass es so schwierig gewesen wäre (die Musikbranche….). Die Ursache lag darin, dass sie den (vermeintlichen) Bedürfnissen der anderen immer den Vorrang gab, anstatt auf die Erfüllung ihrer eigenen Bedürfnisse zu achten und für sich einzustehen. Es war immer leichter gewesen, es den anderen recht zu machen als sich selbst. Es war auch leichter gewesen, unangenehmen Diskussionen aus dem Weg zu gehen, als sich seine Freiheit zu nehmen und sich durchzusetzen. Und es war leichter gewesen, als verantwortlich und zuverlässig zu gelten, als glücklich zu sein…

 

Hinzu kam, dass ihre Überzeugungen zwar aus Erfahrungen resultierten, diese aber schon etliche Jahre zurück lagen. Eine Überprüfung ihrer Annahmen war also überfällig.

Im Coaching geht es ja oft darum, einen Perspektivenwechsel zu ermöglichen. Manchmal genügt ja schon ein kleiner Schubs, um einen Aha-Effekt auszulösen. Also haben wir ihre Überzeugungen - warum was nicht geht - noch einmal kritisch überprüft. Ich nenne das flexibles Denken – schließlich ist unser Kopf rund, damit unser Denken die Richtung ändern kann, wie Francis Picabia es so schön auf den Punkt gebracht hat.

 

Petra erkannte schliesslich, dass sie lieber auf ein erfülltes Leben verzichtete, als sich möglichen Konflikten zu stellen. Und dass sie ihre Annahmen als Ausrede benutze, um ihren Traum nicht auf die Probe stellen zu müssen.


„Man entdeckt keine neuen Erdteile, ohne den Mut zu haben,

alte Küsten aus den Augen zu verlieren.“

André Gide, Schriftsteller

 

Flexibles Denken bedeutet, sich zu trauen, Dinge zu denken, die man sich vorher noch nicht auf diese Art und Weise erlaubt hat zu denken. Und es bedeutet Dinge in Frage zu stellen, an die man bisher immer geglaubt hat. Das fällt uns naturgemäß eher schwer. Aber sobald sich unser Denken ändert, öffnet das unsere inneren Schranken und wir kommen ins Handeln.


Petra hatte sich folgende Fragen gestellt:

  • Was wäre, wenn meine Annahmen gar nicht richtig wären, sondern meine Wahrnehmung nur durch meine eigenen Werte und Erfahrungen verzerrt wäre?
  • Was wäre, wenn das zwar alle so sagten oder machten (z.B. die Kollegen/ Freundinnen), wenn es aber trotzdem nicht wahr wäre?
  • Und was wären die möglichen Konsequenzen, wenn diese Annahmen gar nicht stimmen würden?
  • Würde ich mich dann anders verhalten?
  • Was wäre dann plötzlich möglich?

Wenn Sie das flexible Denken trainieren wollen, dann fangen Sie damit an, die Welt mit ihren großen und kleinen Wahrheiten spielerisch in Frage zu stellen und neu zu durchdenken. Beginnen Sie dazu einfach mit einer Aussage, die Sie für wahr und richtig halten, wie z. B.

  • In diesen Zeiten muss ich an meinem Job festhalten.
  • Mein Chef ist ein inkompetenter Idiot.
  • Meine Kinder wären aufgeschmissen ohne mich.
  • Mein Partner würde das nie zulassen.

Nun stellen Sie sich die oben genannten Fragen. Was wäre, wenn diese Annahmen so nicht stimmten? Welche Dinge würden Sie beginnen anders zu machen? Was wäre dann für Sie möglich? Wie würde dann Ihr Mut wachsen, sich schrittweise mehr Freiheiten zu nehmen?

 

Ein Flexibilitäts-Training hat auch noch weitere positive Folgen: Sie lernen das Leben mit anderen Augen zu betrachten. Sie erweitern Ihren Horizont, geben Ihre Ausreden auf und werden mutiger. Sie gehen plötzlich neue Wege, die Sie vorher nicht für möglich gehalten hätten. Und das schafft Selbstvertrauen. Gründe genug also, um gleich mit dem Training anzufangen.

 

Petra hat übrigens herausgefunden, dass ihr Mann überhaupt kein Problem damit hatte, sich zweimal die Woche, wenn sie Gesangsunterricht nahm, abends selbst ein Brot zu machen. Und seit der Sohn einen Motorroller hat, wurde sie auch viel flexibler für andere Unternehmungen. Demnächst wird sie am Wochenende ihren ersten Auftritt mit einer Band in der Nähe von Stuttgart haben.

„Wenn Sie glauben, alles unter Kontrolle zu haben, dann fahren Sie

„Was wäre das Leben, hätten wir nicht den Mut, etwas zu riskieren?‘‘

Vincent van Gogh