„Zwei Juristen, drei Meinungen“ war ein geflügeltes Wort in meinem Studium.
Da wo es Menschen gibt, gibt es verschiedene Meinungen über ein und dieselbe Sache. Meinungsfreiheit bedeutet, auch andere Meinungen gelten lassen zu können, was aber vielen in Zeiten der Angst schwerfällt.
Meinungsverschiedenheiten sind noch keine Konflikte.
Daraus entstehen erst Konflikte, wenn die Beziehung zwischen den Menschen diese Differenzen nicht aushält. Wenn ich z.B. unbedingt recht haben muss oder den anderen mit seiner Ansicht abwerte und polemisch werde.
Leider scheint dieser polemische Stil heutzutage die Norm zu werden, wenn man sich die Medien anschaut.
Kritik richtet sich zwar immer an einen Inhalt, aber der Ton macht die Musik.
Und dieses „Wie“ sagt dem Zuhörer, wie der Sprecher sich in Beziehung zu ihm sieht.
Hier sind die kommunikativen Tretminen verborgen, vor allem, wenn wir uns als Kritiker über den anderen stellen, und uns berechtigt fühlen dem anderen mal zu sagen wo es lang geht.
Wenn es emotionale Kratzer gibt, weil man mit Unterstellungen, pauschalen Vorwürfen oder herablassenden Bemerkungen arbeitet, wird aus unterschiedlichen Auffassungen ein Konflikt. Egal ob in der Partnerschaft oder im Beruf.
Denn dann geht es nicht mehr wirklich um die unterschiedliche Sichtweise einer Sache, sondern um die Beziehung: Wer hat recht, wer weiß es besser, wer hat mehr Macht über den anderen.
Die Sache ist nicht mehr das eigentliche Problem, sondern die Zweifel an der Möglichkeit vom anderen angenommen und verstanden zu werden.
Die Irritation der Beziehungsebene ist das eigentliche Problem bei Konflikten, selten die Sache an sich.
Wenn man bei einer Auseinandersetzung oder einem Streit jedoch versucht, sich auf eine gemeinsame Sichtweise zu einigen, oder auch klar wird, dass man auch mal unterschiedlicher Ansicht sein darf („agree to disagree“), dann kommt es gar nicht erst zu einem Konflikt.