Karriere und Lebensfreude?

Karriere wird zwar mit Erfolg, aber selten mit Lebensfreude in Verbindung gebracht. Es scheint, als ob wir bei der Jagd nach dem Erfolg die Freude am Leben vergessen haben. Jene subjektive, überfließende Freude, die wir alle kennen und die uns beflügelt und uns Mut, Optimismus und Selbstvertrauen schenkt.

Es gibt Wirtschaftswissenschaftler, die in den 70 Jahren die Beziehung zwischen Konsum und Freude am Leben untersucht haben und feststellten, dass der steigende Konsum leider keine Zunahme der Zufriedenheit oder gar Freude in der Gesellschaft mit sich brachte. „Joyless Economy“ nannte man das.

Woraus speist sich eigentlich Lebensfreude?

Oder umgekehrt gefragt, was bewirkt diesen Mangel an Freude im Arbeitsleben? Neben der Strategie von Anpassung und Gehorsam ist es beim Erklimmen der Karriereleiter vor allem der Versuch, über Leistung Anerkennung von anderen zu erhalten. Die Sehnsucht nach Bestätigung, Anerkennung und Liebe gehört zu den uralten Sehnsüchten, die wir alle in uns tragen. Hinzu kommt der Anspruch, möglichst perfekt zu sein, antrainiert seit Jugendzeiten. Dabei verwechseln wir den Anspruch ein perfektes Produkt zu erzeugen (was selten gelingt) mit dem Anspruch, selber perfekt zu sein, bzw. wie ein Produkt zu funktionieren. Aber irgendwie hat sich der Glaube eingeschlichen, wenn wir das schaffen, dann muss man uns einfach mögen, dann gibt es ja nichts mehr zu kritisieren…

 

Perfektionismus ist einer der härtesten „inneren Antreiber“, den ein Mensch sich selbst (unbewusst) erwählen kann und er endet oft im Burnout oder in der Depression. Denn das Ziel, perfekt zu sein, kann niemand erreichen und es lässt kaum Zufriedenheit oder gar tiefe Freude am Leben zu. Die Leichtigkeit des Seins erlebt nur, wer nicht unbedingt perfekt sein muss.

 

Aber wie können wir unsere Karriere, unsere Erfolge und uns selbst wieder unbeschwert genießen lernen? Was bringt uns dieses Wohlgefühl von tiefempfundener Freude wieder? Wie können wir wieder in Balance kommen mit unseren Träumen und Wünschen?

Ein erster Schritt für mehr Freude ist, anstatt weiter im Außen zu suchen, einfach mal nach innen zu gehen. Das heißt, Zeit mit sich selbst zu verbringen, ohne jede Aktion oder Ablenkung. Gönnen Sie sich das doch mal:

Spüren Sie, welche Ängste und sorgenvollen Gedanken sind da eigentlich? Wo spüren Sie Verspannungen oder Schmerzen in Ihrem Körper? Welche Gefühle kommen da hoch?

Und dann alles einfach mal da sein lassen. Nicht sofort wegdrücken und sich dagegen wehren. Es ist ja bereits ein Teil von Ihnen. Nehmen Sie es endlich bewusst wahr. Machen Sie sich keine Vorwürfe deswegen. Kritisieren Sie sich nicht. Sie haben alles so gut getan wie Sie es konnten. Würdigen Sie Ihre Bemühungen und vergeben Sie sich Ihre Fehler (ja, das geht!). Und dann denken Sie mal wieder an das, was Ihr Herz zum Singen bringt, bei was spüren Sie Freude, wenn Sie daran denken? Was haben Sie schon lange nicht mehr gemacht oder sich gegönnt?

 

Es gibt ein Grundgesetz im Lebens, das da heißt: alles strebt nach Ausgleich zwischen den Polaritäten. Diese Gegensatzpaare heißen zum Beispiel: Stark sein und schwach oder aktiv und passiv sein, Anspannung und Entspannung, Trauer und Freude. Wer bei aller Arbeit und Stress sich keine Zeit gönnt für Entspannung, Genuss, Erholung und Freude am Leben, der bekommt vom Leben die rote Karte und erlebt die deprimierenden Resultate seiner gesteigerten bzw. einseitigen Arbeitssucht durch Scheidung, Krankheit oder sonstige Krisen.

 

Eine kleine Übung zum Weitermachen:

Nehmen Sie sich 3 Wochen lang jeden Morgen eine halbe Stunde Zeit, in sich hinein zu horchen und schreiben Sie alles ungefiltert auf, was es da so in Ihnen denkt. Sie werden überrascht sein, was da alles so rumort und wie wenig das mit Freude zu tun hat. Und dann stellen Sie sich neue Fragen (denn nur dann bekommen wir neue Antworten).

Zum Beispiel:

  1. Macht meine Arbeit mir Freude? Macht sie anderen Freude? Auf welche Weise?
  2. Was ist für mich Erfolg?
  3. Wann bin ich das letzte Mal wirklich in meinem Tun aufgegangen? Was war das?
  4. Was ist das Befriedigendste, was ich jeden Tag oder jede Woche tue?
  5. Was ist mein Beitrag zum Fortbestand des Unternehmens, für das ich tätig bin?
  6. Was macht mir am meisten Freude? Was kann und will ich heute dafür tun?
  7. Wer will ich überhaupt sein?

Werden Sie sich über Ihre Motive und Beweggründe klarer. Und wenn Sie mehr Lebensfreude haben möchten, dann fragen Sie sich, was schlimmstenfalls passiert, wenn Sie ab heute etwas weniger perfekt zu sein würden.

  • Worüber könnten Sie sich freuen ? Welche Gelegenheiten in Ihrer Arbeit erlauben es, etwas von sich selbst einzubringen?
  • Wofür könnten Sie an diesem neuen Tag, der Ihnen so viele Möglichkeiten schenkt., dankbar sein? Dankbar sein macht glücklich! Weil Sie dann nicht alles für selbstverständlich nehmen, sondern merken, wie reich Ihr Leben schon ist.
  • Freuen Sie sich über Ihre Fähigkeiten und Stärken, und all das, was Sie schon bis heute geschafft haben.
  • Erkennen Sie andere an, sähen Sie selber Frieden anstatt noch mehr Kritik.
  • Zelebrieren Sie den Genuss – der Arbeit, des Ausspannens, des Essens und Trinkens, des Lebens.
  • …und seien Sie einfach da – präsent – im Hier und jetzt! Dann docken Sie an die Quelle der Lebensfreude an.

Lebensfreude ist ganz eng mit der Liebe zum Leben verbunden. Wenn Sie sich in das Leben – in sich selbst, in andere, in Ihre Arbeit – neu verlieben können, dann wird Sie diese Lebensfreude wie eine Welle überrollen. Dann ist alles gut, so wie es ist. Manchmal nur für einen Moment. Aber dieser Moment ist bedeutsam.

Ob eine Tätigkeit Sie mit Freude erfüllt, hängt nicht von Ihrem materiellen Erfolg oder anderen Menschen ab. Sondern von Ihrer Entschlossenheit, mehr Verantwortung für sich selbst, für Ihre Balance und für Ihre Zufriedenheit zu übernehmen.

 

Karriere machen und Lebensfreude genießen ist eine Frage der inneren Haltung. Welche Haltung haben Sie zu sich selbst und Ihrer Karriere?