Die Kunst sich selbst und andere zu führen (1)

Herausforderungen

Vor kurzem habe ich ein interessantes Gespräch mit der Personalleiterin eines internationalen Konzerns geführt.

 

Auf meine Frage, was denn derzeit die größten Herausforderungen ihrer Mitarbeiter seien, antwortete sie:

"Mit den komplexen Herausforderungen jeden Tag fertig zu werden und die Sinnhaftigkeit ihres Tuns dabei zu sehen."

Dabei ging es zwar um alle Mitarbeiter, nicht nur um Führungskräfte.
Aber die Führungskräfte betrifft es ganz besonders.

Denn von ihnen wird stillschweigend erwartet, dass sie Struktur ins Chaos bringen, dass sie für Verbesserungen sorgen und dass sie voran gehen.

 

Veränderungen

Dass Führungskräfte dabei selber manchmal die Orientierung verlieren, ist leicht nachvollziehbar. Wir begreifen immer mehr, dass unsere Welt multidimensional ist.

Die Märkte verlangen immer wieder nach Veränderung, Innovation und Neugestaltung. Mit der Digitalisierung z.B. scheint sich ein grundlegender Wandel abzuzeichnen. Viele Unternehmen sind gerade dabei, sich neu zu erfinden.

In dieser Situation eine Führungsrolle zu übernehmen ist eine hochkomplexe und verantwortungsvolle Aufgabe. Denn Führungskräfte müssen dabei verstärkt Orientierungslosigkeit aushalten können und gleichzeitig Sicherheit vermitteln.

 

Neues Rollenbild

Dabei verändern sich auch die alten Rollenbilder vom „Chef“: Was muss, was kann er/sie leisten? Introvertierte Experten und durchsetzungsstarke Alpha-Tiere gelten dabei gleichermaßen als veraltetes Modell.

 

Eine Führungskraft soll einerseits die Ziele des Unternehmens erreichen und andererseits, zufriedene und engagierte Mitarbeiter trotz unsicherer Zeiten erhalten. Beziehungspflege spielt dabei eine Schlüsselrolle:

 

Wenn ich mich als Chef für meine Mitarbeiter interessiere, wenn ich die Leistung jedes Einzelnen wertschätze, wenn ich mein Wissen teile, wenn ich sie in Entscheidungen einbinde, (aber dann auch konsequent bin), wenn es nicht um die Schuldfrage sondern um Lösungen geht, etc.,
dann vermittel ich Sicherheit, bin glaubwürdig und baue Vertrauen auf.

Das wiederum wird in der Regel mit Motivation, Engagement und Loyalität belohnt.

 

Führung und Reflektion

Führung bedeutet auch, Verantwortung zu übernehmen und den Mut zu haben, immer wieder in unbekanntes Terrain aufzubrechen und sich den Herausforderungen zu stellen.

 

Aber um in unsicheren Zeiten Sicherheit vermitteln zu können, muss ich zuerst eins mit mir sein, bevor ich klar mit anderen sein kann.


Mit anderen Worten, wer andere führen will, muss sich selbst führen können. Denn unter Druck reduzieren wir unser Verhalten auf Muster, die gestern gültig waren, aber heute immer seltener funktionieren.

 

Innere Haltung

Selbstführung ist die Fähigkeit, das eigene Denken, Fühlen und Handeln zu hinterfragen, zu steuern und zu verändern, um die (eigenen) Ziele zu erreichen. Dies setzt die Fähigkeit zur Selbstreflexion voraus. Ein Prozess, in dem ein Mensch sich selbst und seine Denkstrukturen beobachtet, analysiert und erforscht.

 

Das zeigt sich deutlich, wenn man einmal die innere und die äußere Haltung einer Führungskraft betrachtet:

  • Wem an Selbstwert mangelt, der kann schwerlich Wertschätzung geben.
  • Ohne Selbstvertrauen kann ich kein Vertrauen vermitteln.
  • Wer nicht zuhört, auf den wird auch nicht gehört. Denn: Je mehr ich rede, desto mehr entschwindet der Mitarbeiter.
  • Und nur mit Selbstdisziplin kann auch Konsequenz im Führungsalltag gelebt werden.

 

Eine moderne Führungskraft kümmert sich also um seine Mitarbeiter, fordert sie, begleitet den Wandel, motiviert sein Team zu Höchstleistungen und sorgt dafür, dass sich alle wohlfühlen - auch sie sich selbst.
Auf die eigenen Bedürfnisse und Wünsche einzugehen, hat auch mit Selbstführung zu tun. Sich selbst ernst zu nehmen und zu respektieren, ist das Gegenteil von "Es-allen-recht-machen-wollen".

 

Um diese Balance halten zu können, ist Achtsamkeit nötig. Und dafür braucht es wiederum Zeit und Raum für mich selbst, damit ich merke, was so alles gerade passiert.

 

Wieviel Zeit nehmen Sie sich jeden Tag für sich selbst, um nachzudenken und nachzuspüren?